Mittwoch, 2. Dezember 2009

12/01/09 59to1, München

Dienstag, 1. Dezember 2009. Ich wache auf und fahre aus dem Bett, schnell wie eine zuschnappende Mausefalle. Angstschweiß auf Stirn, Brustkorb und Wirbelsäule. Der Puls an der Schläfe. Krampf in den Augenbrauen. Ich kriege keine Luft. Wie nach einem zu langen Apnoe-Tauchgang. Ich orientiere mich. Ich bin im Hotel. Im Motel One in München. Links weht ein eiskalter Wind durchs Fenster. Vor mir läuft der Fernseher. Telefonsex-Werbung, viel zu laut. Rechts liegt Dommy und schlummert wie ein Baby. Ich versuche mich zu erinnern. Was habe ich geträumt? Schreckliche Bilder schießen mir durch den Kopf. Die Erinnerung an meinen Traum ist ein Puzzlebild im Anfangsstadium. Es wird nie fertiggestellt werden. Zum Glück. Was war passiert? Ich bin im Miramar, ein Erlebnis-Bad in Weinheim. Schreiende Jugendliche in blauen Kunststoffrutschen, Renterpärchen in Whirpools und Kleinfamilien mit Bälgern und Nervensägen im knietiefen Pissbecken. Dann überall Metallpalmen und kitschige Südsee-Malereien an Decke und Wänden. Ich stehe am Rand des Wellenbades. Es ist hemmungslos überfüllt. Das Wasser ist gelb. Die badende Menschenmenge lacht und kreischt, als schwimmten sie in Orangensaft.

Dann, Schnitt: Ich stehe am Rutscheneingang. Es gibt den blauen Wal, die "gemütliche" Fun-Rutsche und den grünen Hai, die steile Angstrutsche - die senkrechte Arschritzenspülung. Dann gibt es noch eine rosa Rutsche. Die rosa Rutsche ist brandneu. Sie heißt: Rosa-Rutsche. Der Eingang scheint zu rotieren oder besser gesagt: Das Rutschenportal wobbelt. Eine organische feuchte Masse, eine Art Fleischkanal zuckt zusammen und dehnt sich langsam wieder aus. Das erinnert mich an eine überdimensionale Version des Virtual-Reality-Moduls aus dem David Cronenberg Film "Existenz". Davor sind zwei Plastikschienen, auf die zwei grüne Indianerfüße aufgemalt sind. Links steht ein Warnschild: Achtung, Schleudergefahr! Und darunter: Zutritt für Kinder unter 25 Jahren nicht gestattet. Ich denke mir: Keine Gefahr! Und stelle mich langsam und vorsichtig auf die grünen Barfüße auf dem Boden vor der Rutsche. Vor mir pulsiert die fleischige Rutschmasse, wie der Rachen eines Octopus. Ich sehe genauer in das malmende Rosa und mache eine beunruhigende Entdeckung. Kleine gelbe Zähnchen säumen den Rutschenrand. Und dann geschieht es: Das Sandwurm-Gesicht klafft auf und sprizt mir Galle und kleine Fleischbrocken ins Gesicht. Das Rutschen-Ding keift, grölt und pfeift - und es stinkt nach Kläranglage. Das modernde Keuchen kehrt sich plötzlich um und beginnt zu saugen wie ein Staubsauger mit der Kraft eines Windkanals. Es saugt mich ein. Ich versuche irgendwo halt zu finden. Ich habe Angst. Es ist zu spät. Die brüllende Seegurke saugt mich in ihre fratzende Wursthülle. Ich tauche in den dunklen Morast und das Letzte was ich spüre sind die abertausenden Zähnchen, die meine nackte Haut abschaben und endgültig zerreißen. Aaaaarrrggghhh!

Ich wache auf. Zum Glück ist es noch mitten in der Nacht und ich kann den Schock überschlafen. Nach so einem Traum ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass danach etwas sehr Schönes geschieht. Und so ist es. Ich werde von Dommy zum Frühstück geweckt und wir schlagen uns die Mägen voll. Croissants mit Nutella, Obstsalat mit Joghurt, Multivitaminsaft, Körnerbrötchen mit Diät-Becel-Margarine, Gurken- und Tomatenscheibchen, Emmentaler und geräucherte Putenbrust, weichgekochte Eier und viel, viel Kaffee. Da fällt es mir erneut auf: Du bist verdammt nochmal im Paradies! Die Vertreibung hat nur stattgefunden, wenn Du es willst und zuläßt. Da wir noch acht Stunden Zeit haben bis zum Get-In im Club, machen wir uns im Hotel-Zimmer breit und sehen uns einen Film an. "Prestige" heißt das Meisterwerk von Sensations-Regisseur Christopher Nolan. Der Mann der Batman seine cineastische Seele eingehaucht hat, läßt Christian Bale und Hugh Jackman als Illusionisten und Magier in einem brilliant erzählten Streifen konkurrieren. Der Film ist vorbei und wir machen nur noch Blödsinn. Das Kind im Manne ist unsterblich.

Am Abend machen wir uns auf den Weg in den Club. Wir fahren zweimal um den Block, um doch wieder vor dem Hotel zu halten. Der Club ist direkt daneben. 59to1 heißt der übersichtliche Laden. Wir werden angenehm begrüßt und Stage Hands und Get-in-Snacks... alles im Überfluss vorhanden. Willi D. der geniale Mann am Tonpult mischt uns einen guten Bühnensound zusammen und pünktlich um 21:00 Uhr legen wir los. Das Publikum ist einfach super drauf. Es scheint Ihnen richtig gut zu gefallen. Als Band-Highlight gilt unser erstes persönlich von allen signiertes "SCHERE IM KOPF" Album... Liebe Leute... Viel Spaß und Freude wünsche ich Euch allen. Haut rein und bleibt glücklich. Wenn ihr unglücklich seid, dann ändert was... Euer an Euch glaubender Woody im Namen von NUKULAR!




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